Die Stimme als Werkzeug: NeLe bildet sich fort
Vorleserinnen der Neumünsteraner Leselust (NeLe) lernen im Workshop neue Tricks und Kniffe, um ihre Zuhörer mitzunehmen. Für das Vorlesen in Pflegeheimen werden noch Ehrenamtliche gesucht.
Sie gehen regelmäßig in Kindergärten, Pflegeheime oder packen bei besonderen Veranstaltungen ihre Bücher aus: Die Vorleserinnen und Vorleser der Neumünsteraner Leselust (NeLe) haben ihr Hobby zum Ehrenamt gemacht. Mit spannenden, lustigen oder nachdenklichen Geschichten ziehen sie bei ihren Besuchen ihre jungen und alten Zuhörer in den Bann. Um noch besser mit ihrem Handwerkzeug, der Stimme, umgehen zu lernen, besuchten acht von ihnen jetzt einen Workshop mit Regisseurin und Schauspielerin Birgit Bockmann im Mehrgenerationenhaus.
Die Damen und Herren im Rentenalter rollen die Zunge ein, im nächsten Moment winken sie sich majestätisch zu wie die englische Queen. Doch hier ist kein Club mit spleenigen Begrüßungsritualen zusammen gekommen, sondern NeLe-Mitglieder, die sich gründlich auf ihre nächste Lesung vorbereiten. Wo sitzt die Stimme, wenn ich locker stehe oder mit durchgedrückten Knien? Welche Stimmhöhe ist angenehm und welche strengt mich an? Birgit Bockmann leitet die Teilnehmerinnen des Workshops mit ersten Übungen dazu an, ihr wichtigstes Werkzeug, die Stimme, genau wahrzunehmen. „Beim Geschichten erzählen geht es darum, Bilder und Gefühle zu wecken", sagt die Schauspielerin. Dabei würde nur der geringste Teil über die Worte vermittelt, die Stimmung käme hauptsächlich über Körpersprache und Stimmlage rüber.
Vier Stunden lang gibt es praktische Tipps, Übungen alleine und zu zweit und die Arbeit an einer Geschichte, die jeder der Teilnehmer mitgebracht hat. NeLe-Koordinatorin Andrea Schütt ist diese Unterstützung für die Ehrenamtlichen wichtig: „Wir versuchen immer wieder, die Wünsche der Leserinnen und Leser aufzugreifen und regelmäßig Fortbildungen anzubieten." Das kommt gut an, auch bei den routinierten Teilnehmern der Runde. Seit zehn Jahren, also seit NeLe unter dem Dach der Diakonie Altholstein entstand, liest Gudrun Siebert wöchentlich im Kindergarten vor. „Immer ‚Pippi Langstrumpf‘", sagt die Leserin der ersten Stunde, „Und immer wieder entdecke ich Stellen, die mir ganz neu vorkommen." Ganz neu bei der Leselust ist Heike Reimann, die vor allem plattdeutsche Texte liebt, und gerne Senioren damit unterhalten möchte. „Bei Platt muss man gewaltig viel reinlegen!", weiß Birgit Bockmann, springt auf und beweist unter dem Gelächter der Vorleser, dass plattdeutsche Sprüche jede Übertreibung gut vertragen. „Dazu kommt natürlich noch, dass ältere Menschen oft nicht mehr gut hören", ergänzt sie.
45 Frauen und Männer sind bei NeLe dabei, geht es nach dem Bedarf, dürften es auch noch mehr sein: „Gerade von Pflegeheimen bekommen wir immer wieder Anfragen, da fehlen uns teilweise noch Freiwillige", berichtet Andrea Schütt. Dass das Ehrenamt keine einseitige Sache ist, hat Bernd Linke erfahren: „Das Vorlesen im Haus am Sachsenring bringt mir richtig Freude!" Wenn es mal nicht so glatt läuft, ist Andrea Schütt die Ansprechpartnerin der Ehrenamtlichen, sie lädt auch regelmäßig zum Austausch ein.
Mit neuen Kenntnissen und Tricks starten die NeLe-Leser wie Bernd Linke nach dem Workshop wieder in die nächste Vorleserunde: „Ich bin gespannt, wie es beim nächsten Lesen klappt mit dem, was ich jetzt gelernt habe."
Bild oben: Regisseurin und Schauspielerin Birgit Bockmann aus Bordesholm zeigte den ehrenamtlichen Leserinnen und Lesern neue Wege, sich einem Text zu nähern.
Bild unten: Wo sitzt die Stimme? In Partnerübungen erprobten Heike Reimann (li) und Ute Reinhardt von der Neumünsteraner Leselust, wie sie sich am besten auf ihre nächste Lesung vorbereiten.