Armutslage verschärft sich durch Corona
(Neumünster, 25.05.2021) Das Jahr 2020 war für die gesamte Gesellschaft eine Herausforderung. Angesichts der Corona-Pandemie haben sich für große Teile der Bevölkerung vorhandene Armutslagen verschärft. Besonders betroffen sind diejenigen, die vor der Pandemie ihre Sozialleistungen mit Minijobs oder Teilzeitbeschäftigungen aufgebessert haben. „60 Prozent unserer Klient*innen beziehen Transferleistungen in Form von Arbeitslosengeld II oder Grundsicherung. Da vielen dieser Klient*innen pandemiebedingt von den Arbeitgebern gekündigt wurde, leben die betroffenen Familien jetzt in der Regel nur noch von Sozialleistungen, können also beispielsweise die Rate für die Waschmaschine nicht mehr weiter bedienen“, sagt Sibylle Schwenk, Fachbereichsleiterin Schuldnerberatung bei der Diakonie Altholstein.
702 Menschen suchten 2020 Rat in der Allgemeinen Sozialen Schuldnerberatung. Das sind 81 mehr als im Vorjahr. Durch die Pandemie gehören nun mehr Personen zu den Armutsgefährdeten. Vor Corona sind viele von ihnen einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und befinden sich nun aber pandemiebedingt in Kurzarbeit oder Arbeitslosengeld I. Viele dieser Menschen werden vermutlich aufgrund des verringerten Familieneinkommens ihre Dauerschuldverpflichtungen wie Ratenzahlungskäufe, Kleinkredite oder hohe Wohnkosten nicht mehr bedienen können und geraten so in die Überschuldung. Erfahrungsgemäß wird es jedoch etwa bis zu vier Jahre dauern, bis diese Menschen sich hilfesuchend an eine Schuldnerberatungsstelle wenden. Die Stadt Neumünster hatte bereits 2019 die Finanzierung der Allgemeinen Sozialen Schuldnerberatung um 65.300 Euro und das Land Schleswig-Holstein die Mittel für die Insolvenzberatung um 10.000 Euro im Jahr 2020 aufgestockt. „Das ist eine tolle Entwicklung und zeigt, dass die Bedarfe erkannt werden“, sagt Vanessa Trampe-Kieslich, Geschäftsbereichsleiterin Soziale Hilfen, erfreut.
Reform des Insolvenzrechts
Die Zahlen der angemeldeten Insolvenzverfahren sind 2020 hingegen gefallen. Lediglich 395 Ratsuchende haben sich für eine Verbraucherinsolvenzberatung angemeldet. 2019 waren es noch 418. „Die geringere Zahl lässt sich auf die bereits im Jahr 2019 angekündigte Insolvenzrechtreform zurückführen“, sagt Sibylle Schwenk. Diese eigentlich für Sommer 2022 geplante Reform, die eine Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens von sechs auf drei Jahre beinhaltet, trat aufgrund der Corona-Situation bereits am 1. Oktober 2020 in Kraft. „Wir haben daher gerade zum Jahresbeginn wieder deutlich mehr in der Insolvenzberatung zu tun“, sagt die Fachbereichsleiterin.
Fragen rund um das Thema Schulden sind immer noch mit Scham behaftet. Die Koordinierungsstelle der Schuldnerberatungen im Land hat daher eine Aktionswoche ins Leben gerufen. Die Diakonie Altholstein nimmt am Mittwoch, 9. Juni, an der „Lange Nacht der Schuldnerberatungen teil. „Von 17 bis 21 Uhr beantworten wir alle Fragen zu dem Thema“, sagt Sibylle Schwenk. Erreichbar ist die Beratungsstelle unter der Nummer 04321/2505 2700.
Neben der Schuldner- und Insolvenzberatung bietet die Diakonie Altholstein auch in der Justizvollzugsanstalt Neumünster sowie in der Jugendanstalt Schleswig Beratungen an. Weitere Infos HIER.
BU: Vanessa Trampe-Kieslich, Geschäftsbereichsleitung Soziale Hilfen und Sibylle Schwenk, Fachbereichsleitung Schuldnerberatung. | Foto: Nagel/Diakonie Altholstein