Erfahrung. Nähe. Kompetenz
Menü

Der lange Weg zur Integration

Der Familiennachzug für Flüchtlinge in Deutschland mit subsidiären Schutz bleibt weiter eingeschränkt. Doch ohne Familie ist es schwer, anzukommen. Die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) der Diakonie Altholstein versucht, bei der Integration zu helfen.

(Neumünster) „Bevor meine Familie in Deutschland war, habe ich mein Handy kaum aus der Hand gelegt“, erinnert sich Khalid K., „Ich wollte keine Nachricht verpassen, habe kaum geschlafen.“ Ein Jahr und sieben Monate dauerte es, bis der 43-Jährige nach seiner Ankunft in Deutschland im September 2015 seine Frau und die drei gemeinsamen Kinder wieder in die Arme schließen konnte. Dabei lief für Khalid K. eigentlich alles glatt: Der Syrer wurde binnen zwei Monaten als Flüchtling anerkannt und stellte sofort einen Antrag auf Familiennachzug. Mit Hilfe einer Wasbeker Familie fand er eine kleine Wohnung und Arbeit in der Gastronomie. Doch dann hieß es warten. „Meine Gedanken waren nur in Syrien“, sagt der gelernte Bankkaufmann, „Auf das Lernen der Sprache konnte ich mich überhaupt nicht konzentrieren.“ Viele Fragen ergaben sich zum Leben in Deutschland, Briefe von Behörden kamen, die Khalid K. nicht verstand: „Was soll man machen, wenn man die Sprache nicht spricht?“

Am Neumünsteraner Bahnhof traf er einen Landsmann, der ihm den Tipp gab, das Beratungszentrum der Diakonie Altholstein im Haart, nahe der Erstaufnahmeeinrichtung zu besuchen. Dort half ihm Lena Behrmann von der Migrationsberatung beim Schriftverkehr und der Suche nach einer größeren Wohnung, als Frau und Kinder da waren. Dass der Wunsch, wieder mit der Familie zusammen zu sein, alles bestimmt, hat sie in zahlreichen Beratungsgesprächen erfahren, 281 Ratsuchende waren es alleine im vergangenen Jahr. Die Trennung von Ehepartner, Kindern oder Eltern, verbunden mit der Angst um diese, die im Jemen, Syrien oder in Eritrea zurückgeblieben sind, behindere bei vielen Geflüchteten das Ankommen in der deutschen Gesellschaft. „Einige empfinden Schuldgefühle gegenüber ihrer Familie, weil sie nicht für ihre Sicherheit sorgen können“, so Lena Behrmann. Vor allem die Familienväter leiden häufig unter Stresssymptomen wie Konzentrationsproblemen, Depressionen bis hin zu Suizidgedanken. Die Motivation, die Sprache zu erlernen oder die Bemühungen um eine Arbeit lassen nach. „Sie trudeln vor sich hin“, beschreibt es Lena Behrmann.

Das Vorhaben der Bundesregierung, künftig monatlich maximal 1.000 Anträge auf Familiennachzug für subsidiär anerkannte Flüchtlinge zuzulassen, sieht Michael Frenzel, zuständig für den Fachbereich Migration und Flüchtlinge bei der Diakonie Altholstein, daher sehr kritisch. Für Schleswig-Holstein wären es nach dieser Regelung nur 35 Flüchtlinge pro Monat, die Familienangehörige nachholen dürfen. „Die politische Entscheidung, den Familiennachzug für diesen Personenkreis derart einzuschränken, ist verheerend“, bilanziert er. „Wer es mit der Integration ernst meint, darf nicht verhindern, dass die Familie nachkommt.“

Dass die lange Trennung nicht folgenlos bleibt, hat auch Khalid K. erfahren: „Mein jüngster Sohn hat mich in der ersten Zeit in Deutschland ‚Onkel Vater‘ genannt. Er kannte mich nicht mehr nach zwei Jahren.“ Inzwischen besucht der sechsjährige Rabik einen Kindergarten, seine beiden älteren Geschwister die Grundschule. „Die Kinder haben mir geholfen, in Deutschland anzukommen, auch wenn ich mich anfangs fremd fühlte“, sagt Mutter Nailla. Sie lernt mit großem Ehrgeiz Deutsch und hat ein besonderes Faible für die Grammatik. Ein Praktikum als Erzieherin hat sie schon hinter sich, doch ihr Ziel ist es, eines Tages wieder in ihrem Beruf als Bankkauffrau arbeiten zu können. Der Alltag unterscheidet sich für sie sehr von dem in der Heimat: „Dort hatten wir täglich Besuch von Familie und Freunden, das fehlt hier“, sagt sie leise, „Aber in Deutschland haben wir keine Angst. Das Leben ohne Krieg ist sehr schön!“

x
Suchbegriff eingeben und Enter drücken
Spenden
Nach oben scrollen