Der Zugführer geht von Bord – Gert Rathje verabschiedet sich nach 17 Jahren in den Ruhestand
(Neumünster, 27.01.2022) Eigentlich wollte Gert Rathje immer zur See fahren, stattdessen wurde er Diakon, der sich für Menschen und Kirche engagierte. 17 Jahre lang prägte der 64-jährige Diakon die Geschicke der Bahnhofsmission bei der Diakonie Altholstein. 2005 kam dann die Anfrage, ob er die Koordination der Bahnhofsmission übernehmen möchte. „Ich sagte damals, dass ich es mir mal angucke. Ich stellte dann aber schnell fest, dass da Menschen tätig sind, die Spaß an der Arbeit haben“, berichtet Gert Rathje. Seit 2008 ist er Fachbereichsleiter Bahnhofsmission bei der Diakonie Altholstein. Fast 40 Jahre arbeitete er im Kirchlichen Dienst. 2019 bekam er dafür auch das Goldene Kronenkreuz überreicht.
Die Bahnhofsmission ist auch oder gerade während der Pandemie eine feste Größe für Reisende am Bahnhof. 73 Ehrenamtliche sind zuverlässig von Montag bis Freitag, derzeit von 7.30 bis 17.30 Uhr, auf den Bahnsteigen und im Bahnhof anzutreffen. Sie helfen Reisenden ganz praktisch beim Ein- und Aussteigen, bringen zum richtigen Zug, helfen mobilitätseingeschränkten Fahrgästen und schenken in ihren Räumen eine Tasse Kaffee aus. 8150 Mal konnte das Team im Jahr 2021 allein in Neumünster Reisenden hilfreich zur Seite stehen. Dabei reicht das Spektrum der Bahnhofsmission von der erwähnten Unterstützung Reisender über die Intervention in akuten Krisensituationen bis zur Hilfe in existenzieller Not: „Die Ehrenamtlichen bieten jedem einzelnen hilfsbedürftigen Menschen schnelle, wirksame Unterstützung in allen erdenklichen Lebenslagen und Krisensituationen. Sie geben den Reisenden gerade in diesen Zeiten Sicherheit und Vertrauen, sich auf den Weg zu machen“, fasst Gert Rathje zusammen.
„Mit unseren Bahnhofsmissionen auf den Bahnhöfen präsent zu sein ist uns ein besonderes Anliegen“, betont Vanessa Trampe-Kieslich, die den Geschäftsbereich der Sozialen Hilfen bei der Diakonie Altholstein leitet. Gleichzeitig hebt sie hervor, dass dieses nur aufgrund des großartigen Engagements der Ehrenamtlichen möglich ist. „Viele, die bei uns ihren Dienst leisten, gehören aufgrund ihres Alters selbst zur Risikogruppe. Daher ist es nicht selbstverständlich, dass der Dienst in Zeiten der Pandemie durchgehend geleistet wird“, ergänzt sie weiter und spricht den Frauen und Männern in ihren blauen Westen einen ganz herzlichen Dank für Ihren unermüdlichen Einsatz aus. Um das Hilfsangebot verlässlich aufrechterhalten zu können, ist es wichtig, die Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen laufend zu überprüfen, anzupassen und streng darauf zu achten, dass diese eingehalten werden. „Wir erfahren von den Menschen, die sich an uns wenden, dafür viel Verständnis und Zuspruch, da sie spüren, dass wir deren Gesundheit gut im Blick haben“, so nimmt Gert Rathje die Reaktionen der Reisenden wahr.
Ende Januar wird Gert Rathje nun in den wohlverdienten Ruhestand gehen. „Wenn ich zurückschaue, hatte ich meine aufregendsten, anstrengendsten, erfolgreichsten und schönsten Jahre bei der Bahnhofsmission“, sagt er. Denn es sei nicht immer einfach, Menschen zu finden, die diese schwere und anspruchsvolle Tätigkeit machen wollten. „Aber mit Gottes Hilfe geht es“, sagt Gert Rathje. Seine Nachfolgerin Josefine Scotti konnte Gert Rathje bereits gut einarbeiten. Die 27-jährige Josefine Scotti kommt eigentlich aus der Quartiersarbeit, entschied sich aber bewusst nach einer Hospitation für die Bahnhofsmission. „Hierbei hatte ich einen Schlüsselmoment: Es kam eine junge Frau, ungefähr meines Alters, in die Bahnhofsmission Kiel und bat um Hilfe bei der Suche nach einer Obdachlosenunterkunft. Mich hat ihr Schicksal sehr berührt und gleichzeitig hat mich ihr „Danke“ und das kurze Lächeln auf ihrem Gesicht, nachdem wir ihr erfolgreich helfen konnten, zutiefst erfüllt. Danach war mir klar, dass es genau das ist, was ich zukünftig machen möchte“, sagt die neue Koordinatorin. Am meisten freut sie sich, dass jeder Arbeitstag anders ist, weil es immer neue Herausforderungen und Gegebenheiten gibt.
Schwerpunkte für die neue Arbeit hat sich Josefine Scotti schon überlegt, wichtig ist ihr aber, dass die Bahnhofsmission ein Ort des herzlichen Zusammenkommens und der unabdingbaren Hilfe für Gäste, als auch für die Mitarbeitenden bleibt. Das sei auch in Zukunft ihr größter Anspruch. „Außerdem wird mich die Ehrenamtsakquise immer begleiten. Hierbei heißt es Netzwerke aufzubauen, neue Formen zu wagen und das Wesentliche unserer Arbeit in der Bahnhofsmission nicht aus den Augen zu verlieren“, sagt Josefine Scotti.
Die Arbeit der Bahnhofsmissionen wird ausschließlich aus Spenden, Kollekten und Eigenmitteln der Diakonie Altholstein finanziert. „Um diesen Dienst aufrecht zu erhalten, sind wir darauf angewiesen, dass die Menschen uns auch finanziell unterstützen“, betont Vanessa Trampe-Kieslich. Aufgrund von Corona dürfen leider die Sammlungen, die zu dieser Jahreszeit traditionell im und am Bahnhof stattfinden, nicht durchgeführt werden. Damit die Ehrenamtlichen ihre Auslagen erstattet bekommen und für Ihren Dienst gut geschult und ausgestattet werden können, wird das Geld dringend gebraucht. „Von daher sind wir für jede Zuwendung, die wir erhalten, außerordentlich dankbar. Wie brauchen sowohl Geld- als auch Zeitspenden, um mit der Bahnhofsmission die Menschen, die nach Neumünster kommen, gleich freundlich und hilfsbereit in Empfang nehmen zu können“, ergänzt Gert Rathje.
Die Diakonie Altholstein ist Träger der Bahnhofsmissionen in Neumünster, Kiel und Itzehoe. Des Weiteren bietet sie mit der „Bahnhofsmission Mobil“ Begleitung während der Fahrt in Schleswig-Holstein an. Die Bahnhofsmission gehört zu den insgesamt 43 Ehrenamtsprojekten der Diakonie Altholstein. 354 Menschen jeden Alters engagieren sich hier nach ihren Interessen.
Fotos: Diakonie Altholstein / Nagel