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Verfahrensberatung begleitet Flüchtlinge im Asylantragsverfahren

Das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht bestätigte am 23. November die Praxis des BAMF, syrischen Flüchtlingen nur subsidiären Schutz zu gewähren. Was das für die Betroffenen bedeutet, erfährt Verfahrensberater Erich Kramer (Foto) von der Diakonie Altholstein täglich. Die Diakonie setzt daher auf die gründliche Unterstützung der Betroffenen vor der Anhörung.
„Mit diesem Urteil hatte ich wirklich nicht gerechnet“, zeigt sich Heinrich Deicke, Geschäftsführer der Diakonie Altholstein, betroffen von der Entscheidung des dritten Senats. „Das sind schlechte Nachrichten für die Syrerinnen und Syrer, die geflohen sind, weil sie in ihrer Heimat an Leib und Leben bedroht sind.“

Vielen Syrern wird seitens des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nur noch subsidiärer Schutz gewährt, d.h. eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr. Damit ist ein Familiennachzug erst ab dem 16. März 2018 möglich. Das wurde im Asylpaket II der großen Koalition vereinbart. Bis zum Frühjahr dieses Jahres wurde syrischen Flüchtlingen in der Regel der Aufenthalt über drei Jahre gewährt. Legen die Betroffenen Rechtsmittel gegen den schwächeren Schutzstatus ein, gewährten die Gerichte in der Regel ein Bleiberecht von drei Jahren.

„Die aktuelle Praxis des BAMF hat im Regelfall mit einer Einzelfallprüfung nicht mehr viel zu tun. Offensichtlich geht es nur noch darum, auf diesem Weg einen zügigen Nachzug von Familienangehörigen zu verhindern“, sagt Heinrich Deicke. Der Erfolg bei der Anerkennung als Flüchtling hänge somit weitaus mehr von der Nationalität als von individuellen Gründen ab. Die Gewährung des subsidiären Schutzes sei zudem ein Integrationshindernis, bestätigt Michael Frenzel, Fachbereichsleiter für Flüchtlinge und Migration: „Die Unsicherheit und der Wartezustand verlängern sich nur. Wer in permanenter Sorge um seine Familie ist, kann nicht ankommen. Da ist es schwierig, sich auf Sprachkurse und die Arbeitssuche zu konzentrieren.“

Seit dem Frühjahr beobachten die Fachleute in den Verfahrensberatungen, dass sich die Entscheidungen über den individuell zuerkannten Schutzstatus fast ausschließlich an der Herkunft der Antragssteller orientieren. Die Verfahrensberatung hat die Aufgabe, Flüchtlinge im Asylantragsverfahren zu begleiten. In erster Linie ist das die Vorbereitung auf die Anhörung bei dem BAMF zu den individuellen Fluchtgründen und die Nachbereitung der Anhörung. Sie ist die Grundlage für die Entscheidung zum Aufenthaltsstatus. Weitere Themen in der Verfahrensberatung sind u.a. weitergehende Informationen über das Asylverfahren, den Flüchtlingsstatus und die Aufenthaltsperspektiven, die Beratung zum Klageverfahren sowie die Zusammenarbeit mit Behörden, Beratungsstellen, Rechtsanwälten und Ehrenamtlichen.

Seit April 2016 bietet die Diakonie Altholstein Verfahrensberatung für Geflüchtete an den Standorten Kiel und Neumünster an. Finanziert wird das Angebot durch eine Förderung der Deutschen Fernsehlotterie (80%) und Eigenmittel der Diakonie (20%). Die Förderung läuft bis zum März 2019. In Kiel ist der Volljurist Erich Kramer mit der Verfahrensberatung betraut. Sein Büro liegt in den Räumen der Gemeinschaftsunterkunft der Landeshauptstadt Kiel in der Wik. Hier leben rund 500 Geflüchtete, die sich im Asylverfahren befinden. Zwei Drittel von ihnen hat Erich Kramer direkt oder als Familienangehörige bereits beraten (204 Beratungen mit 295 beteiligten Personen von April bis Anfang November). Die meisten (92) kommen aus Syrien, dem Irak (48) und Afghanistan (37). Weitere Herkunftsländer der Ratsuchenden sind Eritrea, Iran, der Jemen, Tschetschenien, Libyen, Armenien und die Türkei.

„Die meisten von ihnen sind mit dem Verfahren völlig überfordert“, sagt Erich Kramer. Gerüchte und Hörensagen prägten die Vorstellungen, dazu kommen Sprachbarrieren und der Umstand, dass das Rechtssystem in Deutschland sich stark von dem in den Herkunftsländern unterscheide. Es herrsche großes Unsicherheit darüber, was man wo sagen könne, ohne Nachteile fürchten zu müssen, wie es die Geflüchteten in ihrer Heimat oft erfahren haben. „Das führt dazu, dass bei der Anhörung oft wichtige Aspekte nicht erwähnt werden“, hat Kramer beobachtet. Es sei auch schwierig und belastend, die konkreten Erlebnisse von Krieg und ständiger Bedrohung zu schildern. Das sei aber notwendig, um gegenüber dem BAMF eine individuelle Verfolgung zu belegen.

Mehrfach hat der Jurist erlebt, dass die Flüchtlinge davor zurückscheuen, gegen die Entscheidung des BAMF zu klagen, obwohl die Aussichten gut seien. „Sie haben Angst vor den Kosten, die sie tragen müssten, wenn das Gericht ihre Klage ablehnt.“ Er berichtet von einem jungen Mann, der darum seine Klage zurückzog: „Die Unsicherheit und Sorge um seine Familie haben ihn krank gemacht. Jetzt musste er sich mit Depressionen in psychiatrische Behandlung begeben.“

Heinrich Deicke sieht den Bedarf der Verfahrensberatung durch die Entscheidung des OVG bestätigt: „Wir haben die Verfahrensberatung mit Juristen besetzt, um die Menschen in ihrer Situation zu stärken. Die hohe Nachfrage zeigt die Notwendigkeit.“
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