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Wohnung frei - aber nicht für jeden

Immer schwieriger wird es für Neumünsteraner mit kleinem Einkommen, eine Wohnung zu finden. Die Zahl der Beratungen in Wohnungsnotfällen bei der Zentralen Beratungsstelle (ZBS) der Diakonie Altholstein steigt. Wohnungslose bleiben immer länger in der Einrichtung.

 

Rund 1.500 Wohnungen sollen in Neumünster leer stehen. Gar keinen Leerstand gab es hingegen im letzten Jahr in der Übernachtungsstelle für Menschen in Wohnungsnot der Diakonie Altholstein. Mehrfach mussten zusätzlich zu den 21 Plätzen Extra-Betten aufgestellt werden und immer länger dauert es, wohnungslose Männern und Frauen in eigene Wohnungen zu vermitteln. Um satte 52% stieg die Zahl der Übernachtungen in der Notunterkunft, von 3.062 im Jahr 2014 auf 4.668 Nächte im Vorjahr, und erreichte damit in den 20 Jahren des Bestehens einen Höchstwert.

„Mehr Wohnungen statt mehr Matratzen!“, fordert Melanie Popp, als Fachbereichsleiterin bei der Diakonie Altholstein für die Wohnungslosenhilfe zuständig. Denn mit 197 wohnungslosen Männern und Frauen kamen gerade mal drei mehr als im Vorjahr in der Übernachtungsstelle unter, doch sie bleiben immer länger. Mit 44 Frauen stieg der Anteil weiblicher Nutzer um 50%. Und nicht nur für dieses Klientel der ZBS wird es immer mühsamer, bezahlbaren Wohnraum zu finden, auch diejenigen, die noch eine eigene Wohnung haben, aber wegen Schimmelbefall oder Familienzuwachs etwas anderes suchen, müssen sich auf einen langen Weg gefasst machen. Auf 1.009 Beratungsfälle kam das sechsköpfige Team der ZBS 2015: „Dahinter stecken jedoch oft noch Kinder und andere Familienangehörige“, präzisiert Melanie Popp, „Man kann also davon ausgehen, dass rund 3.000 Neumünsteraner Wohnungsprobleme haben.“

Nicht mehr hören mag die Fachbereichsleiterin daher die Aussage, dass der Wohnungsmarkt in Neumünster entspannt sei: „Das gilt vielleicht für Interessenten mit gutem Einkommen ohne Schufa-Eintrag, aber eben nicht für diejenigen, die mit wenig Geld über die Runden kommen müssen.“ Wenn es auf ein Mietangebot zahlreiche Bewerber gebe, ziehen die alleinerziehende Mutter oder der arbeitslose Mittfünfziger häufig den Kürzeren. In den letzten Jahren habe eine Konzentration auf dem Wohnungsmarkt stattgefunden, die den persönlichen Kontakt zu den Vermietern auch für die Beratungsstelle erschwere, konstatiert Popp. „Wir sind zunehmend auf private Vermieter angewiesen, die uns freie Wohnungen melden.“ Die Sozialarbeiterin sieht hier auch die Stadt Neumünster in der Pflicht, den Wohnungsmarkt wieder stärker zu steuern, damit keine Ghettos mit günstigen Wohnungen in schlechtem Zustand entstehen, in denen es niemand lange aushält. Sie begrüßt, dass sich im Zuge der dauerhaften Aufnahme von Flüchtlingen in Neumünster eine Arbeitsgruppe bei der Stadt gebildet hat, die zusätzlichen Wohnraum schaffen will: „Endlich bewegt sich etwas! Endlich entsteht die Erkenntnis, dass Leerstand eben nicht bedeutet, dass es sich um bezugsfertige Wohnungen handelt.“

Die ZBS in der Gasstraße 12 gibt es seit 1995. Sie gliedert sich in die drei Bereiche Beratungsstelle, Übernachtungsstelle und Tagesstätte. 3.783 Neumünsteraner besuchten 2015 die Tagesstätte, um hier günstig Mittag zu essen. Für einen Euro gibt es eine warme Mahlzeit. Zählt man Mahlzeiten für die in der ZBS untergebrachten Wohnungslosen hinzu, wurden rund 8.000 Portionen ausgegeben, gekocht zum großen Teil von ehrenamtlichen Helfern und finanziert aus Spendenmitteln. Viele der Ehrenamtlichen haben selber mal die Hilfe der ZBS in Anspruch genommen und wollen sich jetzt engagieren. Das ist auch das ausdrückliche Ziel der diakonischen Einrichtung, so Popp: „Wir wollen die Menschen in ein soziales Gefüge einbinden und Zukunftsperspektiven entwickeln – das ist der beste Schutz gegen ein Abrutschen in die Wohnungslosigkeit.“

Die Beratungsstelle setzt vor allem darauf, den Wohnungsverlust, z.B. bei Mietschulden, zu verhindern. Das gelingt umso besser, je eher die Mieter Kontakt zu den Beratern aufnehmen: In 90% aller Fälle, in denen sich die Betroffenen um Hilfe bemühten, bevor die Kündigung ausgesprochen wurde, konnte mit Hilfe der ZBS das Mietverhältnis gesichert oder eine neue Wohnung gefunden werden. Nach Erhebung einer Räumungsklage lag die „Erfolgsquote“ noch bei 50%.

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